Roboter im Handwerk

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Roboter mit Steuerung

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Roboter stehen für Industrialisierung, Automatisierung, zentrale Themen der Digitalisierung. Sie helfen dabei, Ressourcen (=> Zeit und Geld) für kreatives handwerkliches Arbeiten und die Entwicklung individueller Lösungen für Ihre Kunden zu schaffen, die sonst in sich wiederholenden Routinen versickern.

Bei der Industrialisierung handelt es sich um die Analyse, Definition und Standardisierung von Arbeitsabläufen aller Art. Bei der Automatisierung geht es darum, diese in gleichbleibender, vorhersagbarer Qualität so oft zu wiederholen, wie es eben nötig oder gewünscht ist. Egal, ob das die Verbuchung von Zahlungseingängen, das Lackieren von Teilen, das Schneiden von Gewinden oder das Beantworten von Kundenfragen ist.

 

Warum Automatisierung im Handwerk?

Industrieroboter und Cobots unterstützen in der Werkstatt, im Lager und auf der Baustelle. Sie bringen, verschieben und bearbeiten Werkstücke nach festgelegten Mustern. Sie übernehmen Handgriffe, die die Physik eines Menschen einseitig belasten und seine Kreativität ausbremsen. Künstliche Intelligenz erledigt den „mechanischen“ Teil Ihrer Buchhaltung mithilfe lernfähiger Software. Somit schafft sie Raum, damit Sie sich stattdessen darum kümmern können, Ihre Produkte und Dienstleistungen individuell auf Ihre Kunden anzupassen. Und Software-Bots „chatten“ mit Ihren Online-Besuchern auf der Website über immer wiederkehrende Sachverhalte, während die Mitarbeiter im Büro sich effizient mit dem Tagesgeschäft auseinandersetzen.

Wenn Sie sich also mit dem Thema Robotik beschäftigen wollen, sollten Sie in Ihrem Betrieb Tätigkeiten identifizieren, die sich ständig wiederholen. Das können auch durchaus komplizierte Prozesse sein, bei denen beispielsweise an einem Werkstück viele unterschiedliche Tätigkeiten anfallen. Schließlich sind Roboter immer softwaregesteuert – und die ist heute lernfähig (Stichwort KI). Das führt im Idealfall auch dazu, dass aus sich immer wiederkehrenden Tätigkeiten wie Bohren, Schneiden, Schweißen, Löten und Lackieren am Ende doch hoch individualisierte oder individualisierbare Produkte entstehen (können).

 

Roboter statt Geselle – ist das die Lösung für den Fachkräftemangel?

Das Kompetenzzentrum Fachkräfte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW) fasst den Fachkräftemangel im deutschen Handwerk in konkrete Zahlen: Laut einer Umfrage fehlen rund 65.000 FachhandwerkerInnen. Besonders betroffen sind unter anderem Bauhandwerke sowie die Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik. Ein Ende dieser prekären Situation ist in den kommenden Jahren nicht zu erwarten.

Was ist zu tun? Neben Strategien für die direkte Mitarbeitergewinnung lohnen sich für UnternehmerInnen auch Überlegungen, wie die Arbeitsbedingungen im Unternehmen möglichst attraktiv gestaltet werden können, um qualifizierte und motivierte MitarbeiterInnen zu gewinnen bzw. auf Dauer zu binden. Dazu gehören beispielsweise Maßnahmen in den Bereichen Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Hier kann „Kollege Roboter“ eine wichtige Rolle übernehmen.

Eines ist klar: Aktuell wird in den wenigsten Fällen ein Roboter außerhalb industrieller Produktionsbetriebe fachlich versierte und erfahrene HandwerkerInnen wirklich ersetzen können. Zu sehr erfordert qualifizierte Arbeit im Handwerk nicht nur Standardwissen, sondern auch Kreativität, um Lösungen zu finden. Schließlich ist jeder Auftrag anders, unerwartete Situationen verlangen oftmals komplexe Entscheidungen oder lösen Prozesse aus, die kein Roboter beherrscht.

Möglich ist aber die Entlastung von MitarbeiterInnen bei Routineaufgaben, die physische Unterstützung beim Heben und Halten schwerer Lasten oder die Übernahme gefährlicher Tätigkeiten – alles jeweils unter den wachsamen Augen eines versierten Menschen, dessen Effizienz so verbessert, dessen Gesundheit geschützt und dessen Sicherheit gewährleistet wird.

 

Welche Roboter eignen sich für welche Aufgaben im Handwerk?

Die Handwerkskammer Dresden weiß zu berichten: „Industrieroboter sind nicht immer 1 zu 1 im Handwerk einsetzbar.“ Der Grund liegt zum einen in der enormen Vielfalt und den laufenden Veränderungen bei handwerklicher Arbeit. Sei es die veränderte Form eines Bauteils, eine Arbeitsumgebung, die nicht wie ursprünglich geplant aussieht oder der Aufwand für Schutzmaßnahmen vor sich bewegenden Roboterteilen: Flexible Arbeit, ungeeignete Arbeitsumgebungen und Arbeitsbedingungen erfordern oft Reaktionen, die die stählernen Gesellen aus der Industrie selten leisten können. Schließlich sind sie meist für sehr genau definierte Tätigkeiten in isolierten Räumen entwickelt worden.

Geeigneter sind hier schon kollaborative Roboter, sogenannte Cobots. Sie sind in der Regel kleiner als Industrieroboter, können schneller und flexibel auf unterschiedliche Bedingungen oder unvorhergesehen Ereignisse umgestellt werden bzw. darauf reagieren. Sie sind meist auch deutlich einfacher für neue Aufgaben zu programmieren und speziell für die Zusammenarbeit mit Menschen entwickelt.

 

Roboter in digitaler Umgebung testen!

Die Handwerkskammer Dresden hat ein Kompetenzzentrum Robotik aufgebaut. Dort können Exoskelette, Schweißroboter und andere mechanische Helfer ausprobiert werden.

Ziel des Projekts: mehr technologisches Wissen in die Betriebe bringen. Das Kompetenzzentrum ist für die HandwerksunternehmerInnen Ansprechpartner für praktische und handwerksgerechte Roboterlösungen.

Im Robotiktestfeld der Handwerkskammer Dresden haben Sie die Möglichkeit, Robotertechnik live zu erleben und auszuprobieren. Mit verschiedenen Modellen sollen Anforderungen des Arbeitsalltages gelöst und die handwerksgerechte Umsetzung ausprobiert werden. Themenschwerpunkte sind: Materialtransport und Handling, automatisierte Be- und Verarbeitung von Werkstücken und Werkstoffen sowie die Arbeitsunterstützung mittels Exoskelett.

 

Praktische Beispiele für den Einsatz von Robotern im Handwerk

In den meisten Handwerks- und kleinen Fertigungsunternehmen werden Montageaufgaben und viele andere manuelle Tätigkeiten noch immer „pur“ von Hand ausgeführt. Da kleine Unternehmen – auch des Handwerks – aber von ihrer Flexibilität leben (müssen) und oft in kleinen Losgrößen individuelle Produkte fertigen, kommt es darauf an, mithilfe digital gesteuerter „Helfer“ – und nichts anderes sind Roboter – so effizient und produktiv wie möglich zu sein. Wir stellen Ihnen hier einige Beispiele vor.

 

Intelligente Roboter erledigen Oberflächenlackierung im Holzhandwerk

Ein Spritzroboter des Herstellers HOMAG lädt und entlädt die zu lackierenden Werkstücke wie Möbel, Fenster oder Treppen aus Holzwerkstoffen oder auch Massivholz selbsttätig. Der Lackauftrag erfolgt sowohl auf den Flächen als auch auf den Kanten in der jeweils richtigen Stärke. Die für den Einsatz in kleinen bis mittelständischen Unternehmen entwickelte Maschine entlastet somit Fachpersonal von Routinearbeit.

 

Cobots nehmen keine Arbeit weg, sie unterstützen dabei

Der BionicCobot des Automatisierungstechnik-Herstellers Festo ist dem menschlichen Arm in seinem anatomischen Aufbau nachempfunden und erfüllt seine Aufgaben mithilfe flexibler und feinfühliger Bewegungen. Laut Festo kann der BionicCobot aufgrund dieser Nachgiebigkeit direkt und sicher mit Menschen zusammenarbeiten. Einsatzbereiche sind beispielsweise die Zureichung von Bauteilen für die Montage durch menschliche Fachkräfte, das Handling empfindlicher Objekte, das Picking von Teilen aus Behältern oder gesundheitsgefährdender Materialien. Das Video zeigt, wozu der Cobot imstande ist und wie er gesteuert bzw. an seinem Arbeitsplatz „angelernt“ werden kann.

 

Industrieroboter als Handwerksgeselle? Das geht!

Die Tischlerei Eigenstetter in Rehna hat keine Berührungsängste vor den mechanischen Kollegen. Im Gegenteil: „Ich möchte ihn nicht missen!“, sagt der Tischler in diesem Anwendungsbeispiel. Schließlich sei er der Fachmann, der Kollege lediglich das ausführende Organ.

Das Unternehmen ist auf Maßanfertigungen von Fenstern, Türen, Treppen, Möbeln und Innenausbauten spezialisiert. Möglich wird die Individualität der Produkte durch Industrialisierung und Automatisierung der handwerklichen Produktion mithilfe eines robotergesteuerten, hochmodernen Fräszentrums. Gesteuert werden die Roboter natürlich über die digital erstellten CAD/CAM-Daten, die mithilfe hochpräziser digitaler Vermessung des „Zielobjekts“ entstehen.

Genau diese Investitionen setzen bei Eigenstetter die Ressourcen für die Spezialisierung und Kreativität der Mitarbeiter und Meister frei: Der Betrieb kann so für jeden Kunden seine persönliche Lösung bis ins Detail entwickeln. Dabei spielt es keine Rolle, ob es um einen Neubau, einen Umbau oder die Restaurierung eines denkmalgeschützten Objektes geht. Auch die Ausbildung des eigenen handwerklichen Nachwuchses in der Arbeit mit Robotern inklusive der Entwicklung kreativer Lösungen gehört bei Eigenstetter mit dazu.

 

Fazit

Die Beispiele zeigen: Roboter sind dazu in der Lage, mit Menschen zusammenzuarbeiten. Natürlich verändert sich dadurch die Arbeit. Aber: Der Roboter lernt vom Menschen, der ihm sagt, welche Aufgaben zu erledigen sind. Nicht umsonst heißen intelligente Roboter auch Assistenzsysteme. Deren Aufgabe ist ganz klar, den Menschen bei der Arbeit zu unterstützten, nicht, ihn zu ersetzen.

 

Tipps

Auf YouTube finden Sie in den Kanälen Next Robotics und Der Roboterkanal in kurzen Videos viele Informationen, Tipps, Tricks, Tests und Aktuelles rund um die Robotik in Gewerbe und Handwerk.

In fünf Lernvideos der Handwerkskammer Dresden erfahren Sie anschaulich, was es für Roboterarten gibt und wie diese im Handwerk sinnvoll eingesetzt werden können. Außerdem werden bereits umgesetzte Praxisbeispiele aus Handwerksbetrieben gezeigt. Weitere Robotikthemen dieser Robotik-Videoserie sind Sicherheit, Bewegung, Steuerung und Zubehör.

Eine Übersicht über die wichtigsten Cobot-Anbieter gibt es auf der Plattform DIRECT INDUSTRY.

 

(Erstveröffentlichung: forum handwerk digital, 04/2022, 07/2022 und 07/2018, bearbeitet)